Glory Glory Glory

Auszug aus der Eröffnungsrede im Kulturcafé Rautenkranz in Isernhagen bei Hannover anlässlich der Ausstellung "Glory Glory Glory" am 25.04.08 mit Bildern von Gerhard Merkin


 

Es spricht Ulrike Grest:

"Guten Abend, schön, dass Sie so zahlreich der Einladung zu Gerhard Merkins Ausstellungseröffnung gefolgt sind. Sie wohnen heute einer Premiere bei: Ich halte die erste Einführungsrede meines Lebens, was ich sehr aufregend finde!
Ich bin hier nicht nur Rednerin und Gast und Fan, ich bin auch Lebensgefährtin und Kollegin des ausstellenden Künstlers und hoffe, mit meinem Vortrag dem Abend einen passenden Akzent zu geben. […]

…obwohl ich ja bisher solche Auftritte gescheut habe und wie andere Künstler auch lieber im stillen Kämmerlein bzw. im Atelier mit Pinsel und Farbe am Ruhm oder Nachruhm arbeite.

Glory Glory Glory hat Gerhard seine hiesige Ausstellung genannt, die roten Lettern sind auf dem Bild, das auch die Einladungskarte ziert, zu sehen.

Glorie, Herrlichkeit und Ruhm bedeutet das.

 

Ruhm - scheint ja in einem Künstlerleben eine sehr spezielle Rolle zu spielen. Weiß doch jeder… Wenn er sich nun mal selten zu Lebzeiten einstellt, dann vielleicht wenigstens nach dem Tod, auch wenn man pekuniär dann nichts davon hat…    

 

Eine von Gerhards Lieblingsgeschichten ist von Arno Schmidt und heißt ´Tina oder über die Unsterblichkeit’. Sie spielt im Elysium,  in Schmidts Erzählung Land zwischen  Leben und Tod. Dort tummeln sich alle Berühmtheiten: Jesus, Goethe, Gutenberg… und warten nach langen Phasen ausschweifender Exzesse ermattet und überdrüssig auf den Moment des erlösenden endgültigen Nirvanas, der aber erst dann eintritt, wenn unter den Lebenden nichts mehr auf sie hinweist. Das dauert unter Umständen sehr sehr lange, ewig. 

 Deshalb wird der Ich-Erzähler, der das Elysium ausnahmsweise besuchen darf, von einer Bewohnerin, Tina nämlich, gebeten, ihre irdischen Hinterlassenschaften, die sie berühmt gemacht haben, zu vernichten. Durch seine Erfahrungen, die er bei dem Besuch sammelt (die sehr lustig zu lesen sind) macht sich der Protagonist ganz nebenbei bzw. gezwungenermaßen seine Gedanken über Ruhm und Nachruhm. Gerhards Ausstellungstitel streift, wie schon gesagt, augenzwinkernd das Klischee vom armen Künstler, der, wenn überhaupt, erst nach seinem Ableben die rechte Anerkennung findet und in seinem irdischen Dasein von Luft und Liebe existiert. Die Realität ist natürlich anders und auf den postmortalen Ruhm ist ja sowieso kein Verlass... Erfolgreiche Künstler müssen zu Lebzeiten zum Beispiel von Museen angekauft worden sein, um der Nachwelt Sichtbares zu hinterlassen. Und natürlich brauchen wir im Hier und Jetzt Geld zum Leben und Arbeiten. So bewegt sich unser Leben zwischen schnöden Alltagssorgen und dem Nimbus des Künstlers. Die Ambivalenz dieser Existenz ist manchmal skurril: Die Aufmerksamkeit deines Gegenübers ist dir gewiss mit der Erwähnung des Künstlerberufs; man erscheint in neuem Glanz, mit Glorienschein sozusagen. Die Tatsache, dass jemand den Mut hat, als Künstler sein Leben und unter Umständen das seiner Familie  bestreiten zu wollen, wird bewundernd zur Kenntnis genommen. Kreditwürdig sind allerdings nur die wenigsten. Der eventuell zu erwartende Nachruhm interessiert da auch nicht… Gerhard Merkin lebt schon sehr lange von und mit seiner Malerei, über 30 Jahre. Knapp 1.500 Bilder sind entstanden, er nummeriert sie durch. Gegenständliches und Abstraktes, von ganz klein bis sehr groß, alles ist möglich und wird mit Präzision, großem Einsatz, ungehemmter Kreativität und meistens viel Spaß geleistet. Sein umfangreiches Wissen über Gestaltung, Malerei und Kunstgeschichte gibt er großzügig an seine Schüler weiter, früher an der Schule, später als Dozent einige Semester an der Fachhochschule, heute in Weiterbildungsinstitutionen und im kleinen Kreis in seinem Atelier.  Ein guter Tag für Gerhard ist sicher der, den er in seinem Atelier verbringt, vom frühen Vormittag bis zum späten Abend, nur unterbrochen von Mahlzeiten, denen mit h. Seinem immensen Fleiß sind eben jene 1.500 Bilder zu verdanken, durch die er einen Großteil unseres Familienlebens finanziert. Glory Glory Glory - nicht selten benutzt Gerhard Schrift, d.h. Wörter oder ganze Sätze in seinen Bildern, die sowohl die Bildkomposition vervollständigen als auch eine Betrachtungsvorgabe bilden können.Was fällt mir zu dem titelgebenden Werk ein… Eine ganz persönliche Assoziationsreihe: SchwarzRotGold, gut, aber dann das englische Glory statt deutschem Ruhm? Glory in etwas altmodischen Lettern, wie von Hand gesetzt - unser altes Stempelalphabet, das wir noch aus Kinderzeiten haben, erweist sich da als nützlich. Gerhard benutzt es häufig als Vorlage, um mit den abgenutzten Gummiflächen und den etwas zerfaserten Kanten sozusagen Handgemachtes, Unperfektes zu erreichen. Glory Glory Glory vor feurig-heißem Hintergrund, es scheint zu brennen wie in der Nahaufnahme einer Filmsequenz. 

Es brennt sozusagen im englischen Sprachraum, herrscht hier Krieg? Ruhm und Ehre erwirbt man ja auch auf dem Schlachtfeld, ob lebendig oder tot, umstritten oder nicht. „Ins Jenseits befördert“ heißt „sent to glory“.

Und ist nicht auch die göttliche Herrlichkeit (glory glory halleluja) ohne höllisches Inferno nur die eine Seite der Medaille…

 

Die Hölle des Krieges… Durch die antiquierten  Buchstaben  und  die Assoziation eines Filmstills denke ich an einen der erfolgreichsten Kinofilme überhaupt: „Vom Winde verweht“ mit Vivian Leigh und Clark Gable, in dem der amerikanische Sezessionskrieg die stürmischen Gefühle der Hauptdarsteller versinnbildlicht, wo es brennt wie die verdrängte Leidenschaft in Scarlett O´Hara. Mein nächster Gedanke drängt sich auf: Vivian Leigh soll sich darüber beschwert haben, dass Clark Gable starken Mundgeruch hatte, der sie in den vielbeneideten Kussszenen sehr belästigt haben soll.

 

Warum ich das erzähle…
     …weil ich amüsieren will und weil ich finde, dass Ruhm und Ehre genauso hohl sein können wie ein Filmkuss und weil ich meine, dass Gerhard mit genau dieser Vieldeutigkeit arbeitet, die sowohl unterhalten als auch Irritation bewirken soll. Nichts ist nur so, wie es zu sein scheint, der zweite und dritte Blick befördert manchmal Anderes zutage. 

 

Doch zurück zum Bild: Verlassen wir die gelbe Tiefe oder Untiefe des Werkes, nehmen wir das um 90 Grad gedrehte von unten nach oben gesprühte Glory wahr, ein dahingerotztes goldenes Glory eines Sprayers, jugendlich, ein bisschen frech , ein bisschen zerstörerisch. Es gibt dem Bild formal noch mehr Tiefe – am weitesten weg ist das Gelb und das  verschwommene Rotorange, Glory Glory Glory und die deftigen roten und dunklen Farbspuren stehen davor, darüber schwebt der Sprühglanzschriftzug und katapultiert uns aus einer anderen Zeit ins Jetzt.

 

Also doch nicht in den amerikanischen Südstaaten sondern ganz schwarz-rot-gold zuhause, Vaterland und Heimaterde etwa? (Bei Verfechtern nationalistischen Gedankenguts sind Anglizismen eigentlich nicht üblich.) […]

Glory Glory Glory  klingt musikalisch, vollmundiger als Ruhm und Ehre und Herrlichkeit. Genau diesen Klang wollte Gerhard in seinem Bild haben.

 

Zurück im Hier und Jetzt, in Isernhagen im Café Rautenkranz in Gerhards Ausstellung danke ich Ihnen, dass Sie meiner kurzen Gedankenreise gefolgt sind.

 

Jedes der Bilder lädt zu Gedankenspazierfahrten ein, Gerhard gibt die Route vor, die Sie in fremde Welten, aufs Glatteis, in Abgründe oder ins Land, wo Milch und Honig fließen, führen kann. Gedankenstopps und kleine Umwege sind Ihnen überlassen. Und denjenigen unter Ihnen, die sich einfach nur der schönen  Farb- und Formenvielfalt hingeben wollen, schließe ich mich jetzt auch gern an. Es kann nämlich alles auch ganz einfach sein."


Ulrike Grest